Bernanke, Ben

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Ben Bernanke

Ben Shalom Bernanke (geb. 13. Dezember 1953 in Augusta, Georgia) ist ein in den VSA lebender jüdischer Wirtschaftswissenschaftler. Er war vom 1. Februar 2006 bis zum 31. Januar 2014 Vorsitzender des „Federal Reserve System“ („Fed“; US-Notenbank).

Werdegang

Ben Shalom Bernanke wurde am 13. Dezember 1953 in Augusta/Georgia geboren. Mit zwei jüngeren Geschwistern wuchs er in Dillon, South Carolina, auf. Sein Vater war Apotheker und leitete auch eine Theater-Gruppe, die Mutter war Lehrerin. Bernankes Familie ist tief im Judentum verwurzelt. Von seinem Großvater, der nach dem Ersten Weltkrieg aus Österreich in die VSA einwanderte, lernte er Hebräisch.[1] 1971 legte er den High-School-Abschluß in Dillon als landesweit Bester ab und erhielt dafür eine Europareise. Danach studierte er bis zum Abschluß (Bachelor of Arts) 1975 an der Harvard University Mathematik, Physik und Wirtschaftswissenschaften wieder mit Auszeichnungen. 1979 folgte bei Stanley Fischer die Promotion zum Ph.D. am Massachusetts Institute of Technology (MIT).

Wirken

Seine akademische Laufbahn begann Ben Bernanke 1979 als Assistant Professor an der Stanford University in Kalifornien. 1983 wurde er dort Associate Professor. 1985 wechselte er an die Princeton University nach New Jersey und übernahm eine Professur für Economics and Public Affairs. 1996 erhielt er dort den Lehrstuhl für Economics and Public Affairs und wurde Dekan der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät. Zudem leitete er das Monetary Economics Programm am National Bureau of Economics Research und wirkte im Stab der American Economic Review.

In seinen makroökonomischen Forschungen setzte sich Bernanke nicht zuletzt mit Themen der Zentralbank auseinander, darunter mit Geldpolitik, dem Für und Wider von fixierten Inflationszielen sowie dem Leitzins. Schon in seiner Dissertation untersuchte Ben Bernanke die Weltwirtschaftskrise ab 1929 und tadelte die seiner Meinung nach verhängnisvolle Rolle der damaligen Geldpolitik und der Notenbanken, die angeblich inflexibel am Goldstandard festgehalten hätten. Im Jahr 2000 publizierte er den Band „Essays on the Great Depression“. Darin behandelte er neben dem Verlauf der Krise die Wirtschaftsprogramme des „New Deal“ unter Präsident Franklin D. Roosevelt ab 1933. Er schlußfolgerte, daß der „New Deal“ weniger die direkte Ursache für die Gesundung war, sondern vielmehr - nicht zuletzt psychologisch - den Weg für eine natürliche Erholung geebnet hatte.[2] Für Bernanke stellte das Studium der bis dahin größten Krise des Industriezeitalters den Schlüssel zum Verständnis der Ökonomie dar.

2002 wechselte Ben Bernanke mit Berufung zu einem der sieben Gouverneure im Board of Governors des „Federal Reserve System“ (kurz: „Fed“) in den Vorstand der US-Notenbank nach Washington. Dort arbeitete er unter dem seit 1987 amtierenden Vorsitzenden Alan Greenspan. Schon in Princeton hatte Bernanke der Fed eine direkte Inflationssteuerung durch die Vorgabe von Zielkorridoren empfohlen (inflation targeting zwischen 1 % und 2 %). Diese Orientierungsmarken sollten Fed-Entscheide auf den Märkten leichter nachvollziehbar machen. Greenspan blieb allerdings skeptisch, da er befürchtete, Vorgaben würden die Fed bei der Preisstabilisierung einschränken und das zweite Ziel der Fed in den Hintergrund drängen, die Förderung eines steten Wachstums. Angesichts rezessiver Tendenzen in der Wirtschaft thematisierte Bernanke 2002 das Phänomen einer Deflation. Da der Leitzins damals bei 1 % lag, rückte Bernanke die weiteren Eingriffsmöglichkeiten der Fed in den Vordergrund. So empfahl er zur Ankurbelung der Nachfrage den Kauf von US-Staatsanleihen und umfassende Liquiditätshilfen. Seine flapsige Bemerkung, man könne auch mit dem Hubschrauber Geld über der „Wall Street“ abwerfen, trug ihm den Spitznamen „Helicopter Ben“ ein.[3]

Bernanke lernte ab Juni 2005 als Vorsitzender des wirtschaftspolitischen Beraterstabes des Präsidenten (President's Council of Economic Advisers) kurz Regierungspraxis kennen. Der damalige Präsident George W. Bush (Republikaner) berief Bernanke als Nachfolger von Greg Mankiw. Bernanke relativierte das vielbeklagte US-Leistungsbilanzdefizit anders als viele Ökonomen und begründete es nicht so sehr mit fehlendem Sparwillen der Amerikaner, sondern mit einem Überangebot an Ersparnissen im Ausland und hohen Investitionen ausländischer Unternehmen in den VSA. Bernanke koordinierte im „Weißen Haus“ Konzepte für eine Rentenreform und ein klareres Steuersystem. Ganz allgemein verglich er Wirtschaftspolitik mit dem Versuch, ein Auto bei laufendem Motor zu reparieren.[4]

Im Oktober 2005 nominierte Bush Bernanke als Nachfolger für den Ende Januar 2006 ausscheidenden Greenspan. Bei den Anhörungen zur schließlich reibungslosen Bestätigung durch den Senat für eine zunächst vierjährige Amtszeit als Chairman des „Federal Reserve System“ betonte Bernanke Kontinuität und hielt sich mit Vorschlägen für ein Inflationsziel zurück. Zugleich wurde Bernanke wieder in den Offenmarktausschuss (Federal Open Market Committee, FOMC) der Fed berufen und erhielt auch dort den Vorsitz. Programmatisch empfahl Bernanke durchaus in Absetzung von Greenspan eine verstärkte Transparenz innerhalb der Fed, da er von der Nachvollziehbarkeit der Zinsentscheidungen eine weiter stabilisierende Wirkung erwartete. Die US-Zentralbank war 1913 als regierungsunabhängige Institution gegründet worden; zwei Vorgängerinstitute (1791–1811; 1816–1833/1841) waren wieder abgeschafft worden. Unterhalb der Zentralbank mit 2.000 Mitarbeitern hatten sich auf regionaler Ebene zwölf operativ vor Ort tätige „Federal Reserve Boards“ herausgebildet.

Ex-VS-Notenbankchef Bernanke

Am 1. Februar 2006 trat Ben Bernanke durch Wahl durch den US-Kongreß Alan Greenspans Amt des Chefs „Federal Reserve Boards“ ein. Sorge bereiteten bei Bernankes Amtsantritt die Dollar-Schwäche, die steigenden Energiepreise und das Budget-Defizit, während das Wirtschaftswachstum anfangs noch Perspektiven bot. Freilich war absehbar, daß sich der Immobilien-Boom zu einer Spekulationsblase zugespitzt hatte. Wie Greenspan in ähnlichen Fällen unternahm Bernanke nichts gegen diesen Boom. Statt dessen ging er daran, angesichts gestiegener Schwankungsanfälligkeit (Volatilität) und einem Überangebot an Liquidität die Teuerung im Zaum zu halten. Unter Bernanke erhöhte das FOMC den Leitzins von Januar bis Sommer 2006 weiter von 4,5 % auf 5,25 %.

Nach dem Kollaps der Immobilienblase Ende 2006 sah sich Bernanke einer erst schleichenden, dann galoppierenden Krise gegenüber, die vom Immobiliensektor aus das gesamte Banken-Geschäftsfeld erfaßte - wegen der internationalen Verflechtungen rasch weltweit spürbar - und 2008 auch auf die Realwirtschaft übergriff. Summa summarum erntete Ben Bernanke die negativen Folgen aus den Lockerungen, mit denen Greenspan die Konjunktur ab 2001 hatte ankurbeln lassen. Der Ausgangspunkt der Krise lag in Krediten zu niederen Zinsen, die Hausbesitzer jahrelang angesichts steigender Immobilienpreise leicht bekommen hatten. Solche Kredite führten mit Verfall der Immobilien-Preise und bei höheren Zinsen vielfach zu Tilgungs-Schwierigkeiten. Verkompliziert wurde die Lage noch dadurch, daß Banken (nicht nur in den VSA) nach Risiko-Kategorien geordnete Kredit-Pakete als Spekulationsobjekte auf den Markt gebracht hatten, wodurch letztlich die Betreuung der Kreditnehmer verloren gegangen war. Der Wert solcher Papiere – besonders diejenigen mit riskanten Krediten für Subprime-Immobilienprojekte als Gegenwert – verfiel im Sommer 2007 drastisch. Im Gefolge dieser Wertverluste zerfielen auch die Aktienkurse von Banken-Aktien und immer mehr modisch gewordene spekulative Fonds. In dieser Krisen-Spirale offenbarte sich eine Kluft zwischen Finanz- und Realwirtschaft.[3]

Pfeil 2 siehe auch.pngSiehe auch: Finanzkrise ab 2007

Ben Bernanke setzte das Ziel, die auf Krediten beruhende Ökonomie durch verschiedene „Liquiditätshilfen“ in Bewegung zu halten. Als Instrumente nutzte er neben der Zinspolitik ab 2008 verschiedene Formen direkter Eingriffe in den Finanzsektor und die Industrie. Zunächst reagierte Bernanke im August 2007 zurückhaltend und senkte nicht den Leitzins, sondern den Diskontsatz. Im September und Oktober setzte das FOMC dann aber den Leitzins auf 4,5 %, im Januar 2008 auf 4,0 % und dann schrittweise bis Ende April 2008 auf 2,0 %. Nach und neben weitergehenden Maßnahmen senkte das FOMC Anfang Oktober im Verbund mit anderen Notenbanken den US-Leitzins auf 1,5 % und bis Monatsende auf 1 %.

US-Präsident Bush mit (v. l.) Notenbankchef Bernanke, Finanzaufsichtschef Cox und Finanzminister Paulson.

In weiteren Schritten hatte Bernanke schon im Dezember 2007 und im März. 2008 mit weiteren Notenbanken zusätzliche Liquiditätshilfen für Banken vereinbart. Bei dieser und weiteren Maßnahmen gab es auch Kritik, die Fed vergebe Geld ohne wirkliche Sicherheiten. 2008 folgten mehrere dramatische Interventionen Bernankes und von US-Finanzminister Henry Paulson. Solche Schritte erwiesen sich als notwendig, da es für US-Banken (anders als für die Industrie) keine Regeln für eine geordnete Insolvenz unter Fortgang der Geschäfte gab. So erleichterte der Staat im März 2008 die Übernahme der Investmentbank „Bear Stearns“ durch „JP Morgan Chase“ über einen Zwischenkredit. Im September erschien eine faktische Verstaatlichung der öffentlich-rechtlichen Hypotheken-Finanzierer FNMA („Fannie Mae“) und FHLMC („Freddie Mac“) unumgänglich. Während Bernanke und Paulson danach den Versicheurngskonzern AIG (American International Group) durch den Staat und Gelder der Fed retteten, ließen sie die Insolvenz der jüdischen Investmentbank „Lehman Brothers“, der Bank „Washington Mutual“ (WaMu) und weiterer Finanzinstitute zu. Der Kollaps der international aktiven Lehman führte freilich zu Schäden bei deren Partnern im Ausland. Anfang Oktober verabschiedete der Kongress nach Verzögerungen ein von Treasury und Fed konzipiertes Hilfspaket („Troubled Asset Relief Programm“; Tarp) von addiert 700 Milliarden US-Dollar, das „notleidende Banken“ stützen sollte, indem die öffentliche Hand bedenkliche Kredite übernahm (Bailout). Im Oktober stellte die Fed weitere 900 Milliarden US-Dollar als Bar-Anleihen für Kredite zur Verfügung und bereitete sich darauf vor, von der Industrie „faule Kredite“ aufzukaufen — als solche wurde dazu die „Bad Bank“ gegründet. Ben Bernanke begrüßte dabei die britische Strategie, wonach sich der Staat zeitweise selbst an schwankenden Unternehmen beteiligen sollte.[3]

Ben Bernanke und Paulson nutzten die Krise auch für grundlegende Reformpläne, um die zersplitterte Finanzaufsicht künftig unter dem Dach der Fed zu stärken. Dieser unterwarfen sich zuvor schon die verbliebenen Investmentbanken, die deshalb eine neue Rechtsform wählten. Zusammen mit Paulson wuchs Bernanke („Geldtheoretiker im harten Praxistest“; FAZ, 16. September 2008) als eine der zentralen Figuren während der Finanzkrise nach Beobachtermeinung enorme Macht zu. Dies schloss aber auch Kritik von Experten ein, die Ben Bernanke vorwarfen, im Krisenmanagement politischen Forderungen gegenüber zu nachgiebig zu sein und die Unabhängigkeit der „Fed“ aufs Spiel zu setzen.[5]

Am 1. Februar 2010 begann Ben Bernanke seine zweite Amtszeit als Notenbankchef.

Wirtschaftliche Positionierung

Bernanke bestritt alle Gegenargumente der Gegner seiner Taktiken „Inflation targeting“ und „Quantitative easing“. Bernanke befürwortete die antikapitalistische Angehensweise, „kranke“ Banken zu unterstützen. [6]

Deflation hielt Bernanke für eine kleine Gefahr: „Die US-Regierung verfügt über eine Technologie, genannt Druckerpresse (oder heute ihr elektronisches Äquivalent), die ihr die Produktion so vieler US-Dollars erlaubt, wie sie wünscht – und das ohne Kosten.“[7]

Zu seinen schärfsten Kritikern gehörten Claus Vogt und Roland Leuschel mit ihrem Werk Das Greenspan Dossier (2003). In ihrem Buch Die Inflationsfalle (2009) sahen sie sich darin bestätigt, daß die Inflationspolitik von Bernanke zu Wirtschaftskrisen führe. Die Finanzkrise ab 2007 haben Voigt und Leuschel prophezeit.

Mitgliedschaften

Mitgliedschaften als Fellow: Economic Society, American Academy of Arts and Sciences, Guggenheim Fellowship, Sloan Fellowship; Bilderberger.

Familie

Ben Bernanke und seine Frau Anna, geb. Friedman, sind seit 1978 verheiratet und haben zwei Kinder.

Filmbeitrag

How Nations Die! (en.)

Schriften

Lehrbücher

  • Principles of Economics (mit Robert H. Frank)
  • Principles of Macroeconomics (mit Robert H. Frank)
  • Macroeconomics (mit Andrew B. Abel)

Forschungsarbeiten

  • Essays on the Great Depression. Princeton University Press, Princeton 2000, ISBN 0-691-01698-4
  • Inflation Targeting: Lessons from the International Experience. Princeton University Press, Princeton 2001, ISBN 0-691-08689-3
  • Should Central Banks Respond to Movements in Asset Prices? American Economic Review, Mai 2001. (mit Mark Gertler)
  • Inflation Targets and Monetary Policy. Journal of Money, Credit, and Banking, November 1997, 29. Jg., Nr. 4(2), S. 653–84 (mit Michael Woodford)
  • The Federal Funds Rate and the Channels of Monetary Transmission. American Economic Review, September 1992, 82. Jg., Nr. 4, S. 901–21 (mit Alan Blinder)

Verweise

Fußnoten

  1. Internationales Biographisches Archiv 50/2008 vom 9. Dezember 2008
  2. vgl. z. B. Cato Journal, 6. April 2002
  3. 3,0 3,1 3,2 Munzinger-Archiv GmbH, 2008
  4. vgl. Handelsblatt, 25. Oktober 2005
  5. vgl. Handelsblatt, 4. September 2008
  6. Egon W. Kreutzer: Harte Landung - Spekulanten hat den freien Fall der Finanzwirtschaft eingeleitet (21.#160;September 2008)
  7. www.federalreserve.gov