Brumlik, Micha

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Micha Brumlik (Lebensrune.png 1947 in Davos, Schweiz) ist ein jüdischer Erziehungswissenschaftler. Er publiziert u. a. zur Gefährlichkeit freier Meinungsäußerung in ihrer Wirkung auf Interessen jüdischer Funktionäre.[1]

Werdegang

Herkunft

Micha Brumlik wurde 1947 in Davos/Schweiz geboren. Die Familie lebte seit 1952 in der Bundesrepublik Deutschland.[2]

Ausbildung

Nach seiner Gymnasialzeit in Frankfurt am Main verbrachte Brumlik zwei Jahre in Israel, wo er in einem Kibbuz arbeitete und Philosophie studierte. Sein Studium der Pädagogik und Philosophie schloß er in der BRD ab. Mit einer erziehungswissenschaftlichen Dissertation zum Thema „Gemeinsinn und Urteilskraft“ promovierte er 1977 an der Johann Wolfgang Goethe-Universität, in Frankfurt/Main zum Dr. phil.[2]

Wirken

Brumlik war nach seinem Studium zunächst wissenschaftlicher Assistent der Pädagogischen Hochschule in Göttingen und Mainz, danach Assistenzprofessor in Hamburg. Von 1981 bis 2000 lehrte er Erziehungswissenschaft an der Universität Heidelberg. Als Publizist (u. a. Mitherausgeber des jüdischen Blattes „Babylon“), Verbandsfunktionär und Kommunalpolitiker für die Grünen in Frankfurt am Main (Vorsitzender des Ausschusses für Immigration und Integration in der Stadtverordnetenversammlung) sowie Chef des „Fritz-Bauer-Instituts“ ist Micha Brumlik in Erscheinung getreten.[3]

Über sein 1996 erschienenes Buch „Kein Weg als Deutscher und Jude“ notierte die „Allgemeine Jüdische“:

„Viele Elemente seiner Biographie – wie ostjüdischer Background, Traditionalismus, Zionismus, Israel-Euphorie mit Hinwanderung und Rückkehr, Engagement in der Studentenbewegung und Etablierung in der hiesigen Gesellschaft, und hinter allem das subtil registrierte Gefühl, das die Existenz aller nach dem Krieg in Westdeutschland lebender Juden durchzog und beherrschte [...], die Scham [...], daß (die Eltern) überhaupt überlebt hatten und daß sie von dem Geschenk ihres Lebens nirgendwo anders Gebrauch machten als ausgerechnet im Lande der Mörder, auf dem verfluchten Boden Deutschlands – sind exemplarisch für die Prägung des Lebensgefühls und den Werdegang der zweiten Generation, der Kinder jüdischer Schoa-Überlebender.“[3]

1998 trat Brumlik als Vorsitzender der von ihm im Jahr zuvor gegründeten „Union progressiver Juden“ zurück. Er war mit dem zum Judentum konvertierten „Unions“-Vorstandsmitglied Walter Homolka nicht einverstanden, dem er eine „lutherische Perspektive“ vorwarf und an dem er gewissermaßen zuviel Christliches witterte. Schon 1987 hatte Brumlik geschrieben:

„Die Auffassung, daß die Juden Kinder des Satans seien, gehört zu den ältesten Grundüberzeugungen des Christentums.“

Das Verdikt sei im Evangelium des Johannes (8,44) als Wort Jesu verankert; es bestehe ein enger Zusammenhang zwischen christlichem Antijudaismus und politischem Antisemitismus.[3]

Micha Brumlik rief bei der Bundestagswahl 1998 auf der Titelseite des Zentralratsblattes „Allgemeine Jüdische” zur Wahl der Grünen auf, denn: „Sie bringen dem Staat Israel eine tragfeste kritische Solidarität entgegen. Israel weiß, was es an Bündnis 90/Die Grünen hat.“ Brumlik zeigte sich begeistert darüber, daß die Grünendie konsequente Aufhebung des völkischen deutschen Staatsangehörigkeitsrechts sowie eine generöse und verantwortete Einwanderungspolitik befürworten.“[4]

2000 wechselte er als Professor an das Institut für allgemeine Erziehungswissenschaft der Universität Frankfurt mit dem Schwerpunkt „Theorie der Erziehung und Bildung“. Parallel dazu leitete er von Oktober 2000 bis Oktober 2005 als Direktor das 1995 gegründete Fritz Bauer Institut, Studien- und Dokumentationszentrum zur Geschichte und Wirkung des Holocaust in Frankfurt.

Mit dem Buch „Wer Sturm sät...“ (2005) griff Brumlik in die aktuelle Debatte über die Vertreibung der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg und das vom Bund der Vertriebenen geforderte „Zentrum für Vertreibung“ ein.

Ende Februar 2008 sagte Micha Brumlik im Streit über die römisch-katholische Karfreitagsfürbitte für die Juden seine Teilnahme am Katholikentag im Mai in Osnabrück ab. Auf epd-Anfrage erklärte er: „Entweder sie machen das rückgängig, oder der Dialog auf offizieller Ebene wird einfrieren.“ Zuvor hatte schon der Repräsentant der Weltunion für progressives Judentum, Rabbiner Walter Homolka, seine Anmeldung zurückgezogen.[5]

Seit Oktober 2008 gehört Brumlik zu den Unterstützern der Pro-Israel-Kampagne „Stop the bomb“, die dafür wirbt, den Iran politisch und diplomatisch zu isolieren.[6]

Brumlik nahm im Januar 2010 zur Debatte um Äußerungen des Antisemitismus-Forschers Wolfgang Benz Stellung.[7] Brumlik verteidigt:

„Die Nationalsozialisten zum Beispiel haben gesagt, was völlig richtig ist, daß ein großer Teil der Führung der Bolschewiki Juden gewesen sind. Überhaupt kein Zweifel! Frühe Antisemiten haben beklagt, daß die Rothschilds als Könige der Epoche zu großen Einfluss gehabt hätten...“[8] (Siehe auch: Jüdischer Bolschewismus, Martin-Hohmann-Rede)

Im April 2012 kritisiere Brumlik den Literaturnobelpreisträger Günter Grass für dessen israelkritisches Gedicht mit dem Titel „Was gesagt werden muss“.

Mitgliedschaften/Ämter

Brumlik ist Chef des Fritz Bauer-Instituts und Mitglied des Ernst Ludwig Ehrlich Studienwerks (ELES).

Auszeichnungen

  • 2003: Hermann-Cohen-Medaille für Jüdische Kulturphilosophie der Hermann-Cohen-Akademie
  • 2006: Micha Brumlik wurde von der Stadt Gießen mit der Hedwig-Burgheim-Medaille ausgezeichnet.
  • 2016: Buber-Rosenzweig-Medaille
  • 2016: Franz-Rosenzweig-Gastprofessur, Universität Kassel

Literatur

  • Georges Didi-Huberman: Bilder trotz allem. Wilhelm Fink Verlag, Paderborn 2007, 260 Seiten, ISBN 3770540204

Verweise

Interviews

Fußnoten

  1. Internationales Biographisches Archiv 43/2005 vom 29. Oktober 2005 (se)
  2. 2,0 2,1 Munzinger-Archiv GmbH, 2005
  3. 3,0 3,1 3,2 David Korn: Wer ist wer im Judentum?, FZ-Verlag, ISBN 3-924309-63-9
  4. David Korn: Das Netz: Israels Lobby in Deutschland, FZ-Verlag, ISBN 978-3924309664
  5. Auch Micha Brumlik sagt Teilnahme am Katholikentag ab, evlka.de, Februar 2008
  6. Die Anti-Iran-Kampagne und die Weihnachtsbombe, 9. November 2008
  7. Micha Brumlik fordert Mäßigung in der Debatte über Antisemitismus-Vergleich, Deutschlandradio Kultur, 28. Januar 2010
  8. Neue Feindschaft, alte Muster – Erziehungswissenschaftler: Islamophobie und Antisemitismus sind vergleichbarAudio, Deutschlandradio Kultur, 28. Januar 2010