Wolf, Markus
Markus Johannes („Mischa“) Wolf ( 19. Januar 1923 in Hechingen/Hohenzollern, Württemberg; 9. November 2006 in Berlin) war ein jüdischer Offizier, Geheimdienst- und Spionagechef der DDR (1952-1986).[1] Er leitete 34 Jahre lang die Hauptverwaltung Aufklärung (HVA), den Auslandsnachrichtendienst im Ministerium für Staatssicherheit (MfS) der DDR.
Inhaltsverzeichnis
Werdegang
Herkunft
Markus Johannes („Mischa“) Wolf wurde 1923 in Hechingen/Hohenzollern als Sohn des jüdischen Kommunisten, Dramatikers und Arztes Friedrich Wolf (1888-1953) geboren. Sein Vater war von der Familie ursprünglich für die Laufbahn eines Rabbiners bestimmt, er war DDR-Botschafter in Polen 1950/51. Markus Wolfs Mutter Else Dreibholz war die zweite Frau des Vaters. Wolfs Bruder Konrad Wolf (1925-1982) machte sich als kommunistischer DEFA-Filmregisseur einen Namen, er war Mitglied des ZK der SED. Wolf wuchs zunächst in Stuttgart auf. Da sein Vater Kommunist war verließ er Deutschland. Die Familie folgte 1933 dem Vater über Österreich und die Schweiz nach Frankreich. 1934 begab sich die Familie in die Sowjetunion. 1937 wurde sie aus Deutschland ausgebürgert.[2]
- Markus Wolf entstammt einer jüdischen Familie. Wer sich mit der jüdischen Geschichte und dem jüdischen Selbstverständnis ein wenig auskennt und wie ich 15 Jahre in jüdisch geführten Unternehmen gearbeitet hat, weiß, was die Erhaltung des Staates Israel für die meisten Juden auf der Welt bedeutet. Wenn die Existenz Israels in Gefahr ist, werden auch Weltanschauungen oder politische Überzeugungen zurückgestellt, dann gibt es die innere Verpflichtung, an der Seite Israels zu stehen. In der DDR gab es einen hochintellektuellen Kreis um Jürgen Kuczynski und seine Schwester Ruth Werner, die bekanntermaßen für den sowjetischen Militärgeheimdienst arbeitete und dem berühmten Atomspion Klaus Fuchs diente. Beide traten trotz ihres Engagements für die sozialistische Sache stets auch für die Sache Israels ein. Der israelische Geheimdienst hätte seine Reputation nicht verdient, wenn er an Menschen mit dieser Prägung nicht herangetreten wäre, und das gilt sicher auch für Markus Wolf. Ich könnte mir vorstellen, dass sie ihm klargemacht haben: Dein Strauß mit Westdeutschland, den du da ausfichst, interessiert uns nicht, das ist deine Sache. Aber wenn dir irgendetwas zu Ohren oder vor die Augen kommt, was für die Existenz Israels von grundlegender Bedeutung ist, dann lass uns das bitte wissen.[3]
Ausbildung
Die Schulen besuchte Markus Wolf in Stuttgart und in der Sowjetunion. In Moskau war er zunächst auf der Karl-Liebknecht-Schule, dann 1938-1940 auf der russischen Fridtjof-Nansen-Schule. 1942/1943 erhielt er eine politische Ausbildung auf der Kominternschule in Kuschnarenkowo/Baschkirien. 1940-1942 studierte er an der Hochschule für Flugzeugbau in Moskau. 1942 wurde er Mitglied der KPD.[2]
Wirken
Ab 1934 lebten die Wolfs in der Sowjetunion. Im Zweiten Weltkrieg begann Markus Wolfs Agentenkarriere in Stalins Auftrag. 1943-1945 arbeitete Wolf als Redakteur, Sprecher und Kommentator beim Deutschen Volkssender in Moskau.
1945 kam er als Sowjetbürger im Troß der Roten Armee nach Berlin, wo er als Kontrolloffizier an der Stalinisierung des Ostens beteiligt war.[4] Im Mai 1945 kehrte er mit der „Gruppe Ulbricht“ nach Ost-Berlin zurück und wurde Mitarbeiter des Berliner Rundfunks (bis 1949).
1945/1946 nahm er als Berichterstatter Stalins am Nürnberger Tribunal teil. Ab Anfang der 1950er Jahre war er maßgeblich am Aufbau des Stasi-Systems in der DDR beteiligt. 1949-1951 war er Erster Rat der DDR-Mission in Moskau. Anschließend wurde er in Ost-Berlin stellvertretender Abteilungsleiter im Institut für Wirtschaftswissenschaftliche Forschung. Von dort wechselte Wolf zum Außenpolitischen Nachrichtendienst der DDR, dessen Leitung er im Dezember 1952 übernahm. Als führender Geheimdienstmann überdauerte er den Sturz der Minister Wilhelm Zaisser (1953) und Ernst Wollweber (1957). Seit 1956 leitete Wolf die „Hauptverwaltung Aufklärung“ (HVA) im Ministerium für Staatssicherheit (MfS). Gleichzeitig war er einer der Stellvertreter von Stasi-Minister Erich Mielke. 1955 stieg Wolf zum Generalmajor auf, 1966 zum Generalleutnant und 1980 zum Generaloberst. Seine Hauptabteilung hatte auch bei der Inszenierung „neonazistischer“ Aktivitäten in der BRD ihre Finger im Spiel.
Wolfs Spionagestrategie war vor allem auf das Eindringen in die Führungszentren der westlichen, insbesondere der bundesdeutschen Gesellschaft ausgerichtet. Seine Agenten wurden angehalten, auf bürgerlichem Weg in einflussreiche Stellungen zu gelangen und ihre Spionagetätigkeit erst aufzunehmen, wenn sie dieses Ziel erreicht hatten. Zu den ersten Agenten, die Wolf rekrutierte, gehörte auch der spätere Kanzlerreferent Günter Guillaume, dessen Enttarnung im Mai 1974 zum Rücktritt von Bundeskanzler Willy Brandt führte.
Einer breiteren Öffentlichkeit in der Bundesrepublik wurde Wolf durch den Fall des Nürnberger Unternehmers Hannsheinz Porst bekannt, der 1969 wegen landesverräterischer Beziehungen zu zwei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt worden war. Porst, der sich als „Einflussagent“ verstand und jegliche bewußte Spionagetätigkeit kategorisch bestritt, traf mehrfach mit Wolf zusammen. Wolf führte Regie über rund 4.000 Auslandsagenten mit „der Präzision eines Schachspielers“, wie Beobachter nicht ohne Respekt bekundeten. Allein in der HVA unterstanden ihm 1.200 hauptamtliche Mitarbeiter.
Im Westen galt er zwei Jahrzehnte lang als „Mann ohne Gesicht“. Erst im Juli 1978 wurde er nach einem Besuch in Stockholm enttarnt, als er sich mit dem bayerischen SPD-Landtagsabgeordneten Friedrich Cremer treffen wollte[5] und dabei von jüdischen Geheimdienstmitarbeitern kontaktiert wurde, die ihrerseits unter schwedischer Beobachtung standen.[6] Identifiziert wurde das Bild von Werner Stiller, einem Überläufer in den Westen. Am 12. März 1982 wurde er bei der Beerdigung seines Bruders Konrad in Zivil erneut abgelichtet. Daß Wolf nicht nur Freunde in der DDR hatte, schloß man daraus, daß er nie für Wahlen ins Zentralkomitee (ZK) der SED kandidierte.
Am 5. Februar 1987 meldete ADN, daß Wolf auf eigenen Wunsch den aktiven Dienst des Ministeriums für Staatssicherheit verlassen hatte. Schon ein Jahr zuvor hatte Wolf bei MfS-Chef Mielke um seine Demission gebeten, die schließlich im November 1986 erfolgte. In einem SPIEGEL-Interview (1/1989) dementierte Wolf, daß er seinerzeit aus Rücksicht auf seine Gesundheit in Pension gegangen sei. Vielmehr habe er sich dem Projekt seines Bruders, die lebenslange Freundschaft und Erfahrungen dreier Emigrantenfamilien und ihrer Söhne in einem Film festzuhalten, gewidmet. Nach dessen Tod setzte er es in ein Buch mit dem vom Bruder vorgegebenen Titel „Troika“ um. Das Buch erschien im März 1989 und überraschte durch seine kritische Offenheit. Wolf präsentierte sich als vorsichtiger Befürworter der Reformpolitik Gorbatschows, kritisierte u. a. das Vorgehen gegen Wolf Biermann und wünschte sich eine offenere Diskussion in der DDR. Ein DEFA-Film über Wolfs Vater Friedrich zu dessen 100. Geburtstag, „Verzeiht, daß ich ein Mensch bin - Friedrich Wolf, Fragen an seine Kinder, Erinnerungen von Zeitzeugen“, wurde nach seinem Protest in voller Länge und mit den kritischen Äußerungen Wolfs gesendet.
Noch vor dem 40. Jahrestag der DDR räumte Wolf in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung (23. September 1989) Mitverantwortung an den Mängeln der DDR ein und sagte, daß die Fluchtwelle Anlaß gebe, sich mit den Ursachen zu beschäftigen. Nach dem Sturz von Erich Honecker (18. Oktober 1989) nahm Wolf an Veranstaltungen mit Bärbel Bohley, Stefan Heym und anderen Oppositionellen sowie Kritikern teil. Er trat am 4. November kurz vor der Maueröffnung auch bei der größten Protestkundgebung in der DDR-Geschichte auf dem Ost-Berliner Alexanderplatz auf, wurde dabei aber von den knapp eine Millionen Teilnehmern gnadenlos ausgepfiffen. Sein Bekenntnis zu seiner Vergangenheit und die Bitte, die Angehörigen des Staatssicherheitsdienstes „nicht zu Prügelknaben der Nation zu machen“ blieben ungehört.[7]
Teilvereinigung / Bundesrepublik
Nach dem Zusammenbruch der roten Diktatur gelang es ihm, davonzukommen, ohne sitzen zu müssen (er erhielt Freiheitsstrafe auf Bewährung). Sicherheitshalber aber hatte er schon Möglichkeiten zum Asyl in Israel sondiert.[4]
In der Phase des Zusammenbruchs des SED-Regimes vermied Wolf die Übernahme neuer Ämter in Partei und Regierung. Er war aber eigenem Bekunden zufolge hinter den Kulissen ein wichtiger Berater der neuen SED-Mannschaft und gehörte nach dem endgültigen Rücktritt von Politbüro und Zentralkomitee am 3. Dezember 1989 auch dem Ausschuß an, der den Sonderparteitag der in Auflösung begriffenen SED vorbereitete. Die Aufforderung des Übergangs-Ministerpräsidenten Hans Modrow, in dessen Beraterstab einzutreten, lehnte Wolf ebenso ab wie den Versuch des DDR-Innenministers Peter-Michael Diestel (CDU), ihn als Regierungsmitarbeiter in eine Kommission zur Auflösung der Stasi zu berufen. Gregor Gysi holte ihn in den SED-PDS-Beraterstab, Buchkonzerne nahmen ihn als Autor unter Vertrag. In Femseh- Talkshows und bei anderer Gelegenheit wird er wie ein normaler Angehöriger des bundesrepublikanischen „Jet-Set“ behandelt. Es dürfte dabei eine Rolle spielen, daß mancher Prominenter einpacken müßte, wenn Wolf auspackt.[4]
Da Markus Wolf in der Bundesrepublik mit einem Haftbefehl bedroht war, der auch nach der Wende nicht aufgehoben wurde, hielt er sich zeitweise in der Sowjetunion auf und ging im Hinblick auf die deutsche Teilvereinigung am 3. Oktober 1990 über Österreich erneut nach Moskau. Er blieb ein gesuchter Gesprächspartner der Medien und äußerte sich immer wieder zu gegen ihn erhobenen Vorwürfen.[8] Frühere Mitarbeiter gab er nicht preis.
Nach dem Putsch in Moskau im August 1991 signalisierte Wolf Rückkehrabsichten („Ich will in Deutschland leben“) und kam schließlich über Österreich am 24. September 1991 in die Bundesrepublik. Nach kurzer Untersuchungshaft wurde der Haftbefehl gegen Kaution und Auflagen am 4. Oktober 1991 ausgesetzt und Wolf zunächst als Zeuge in anderen Verfahren gehört. Vor dem Schalck-Untersuchungsausschuß verweigerte er im September 1992 die Aussage. Zum gleichen Zeitpunkt erhob die Bundesanwaltschaft Anklage gegen Wolf wegen des Verdachts des Landesverrats in Tateinheit mit Bestechung. Am 4. Mai 1993 begann vor dem 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf der Prozess gegen Wolf, der den Vorwurf des Landesverrats als „absurd“ und sich als Opfer der „Siegerjustiz“ bezeichnete. Nach einer persönlichen Erklärung machte er keine weiteren Aussagen mehr. Das am 6. Dezember 1993 verkündete Urteil lautete auf sechs Jahre Haft. Wolf bezeichnete den Spruch des Gerichts als „politisches Urteil“ und sagte, er werde nur verurteilt, weil „es vierzig Jahre die Deutsche Demokratische Republik gegeben habe, die es im politischen und Rechtsverständnis der Urheber solcher Veranstaltungen nie hätte geben dürfen“. Das Gericht hielt die Haftverschonung aufrecht. Da eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Frage der Strafbarkeit von Spionen eines untergegangenen Staates zu jenem Zeitpunkt noch ausstand, blieb das angefochtene Urteil nur vorläufig.
Am 23. Mai 1995 veröffentlichte das „Bundesverfassungsgericht“ einen Beschluß, nach dem DDR-Bürger, die vor der Teilvereinigung gegen die Bundesrepublik spioniert haben, nur noch eingeschränkt strafrechtlich verfolgt werden konnten. Am 18. Oktober 1995 hob der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs die Verurteilung von Wolf wegen Landesverrats und anderer Delikte im Revisionsverfahren auf. Der Fall Markus Wolf wurde an das Düsseldorfer Oberlandesgericht zurückverwiesen, das nun wegen geheimdienstlicher Nebendelikte ermittelte.
Am 3. April 1996 meldete dpa: „Bei seinem ersten Besuch in Israel hat sich der ehemalige Chef der Stasi, Markus Wolf, mit israelischen Berufskollegen aus alten Zeiten getroffen, die ihm höchstes Lob aussprachen. Der ehemalige Chef des israelischen Inlandsgeheimdienstes Schin Bet, Jaacov Peri, sagte zu ihm: ‚Du bist eine Legende.‘ Laut Wolf hat die Stasi nie direkt gegen Israel agiert, da ihr Hauptziel Westdeutschland war. Wäre sein Vater Zionist gewesen und 1933 nach Palästina ausgewandert, wäre Wolf vielleicht eines Tages der Chef des israelischen Geheimdienstes Mossad geworden, spekuliert der ehemalige Chef des israelische ,Aman‘- Militärnachrichtendienstes, Schlomo Gazit (geboren Shlomo Weinstein).“[4]
Am 30. August 1996 erhob der Generalbundesanwalt beim Oberlandesgericht Düsseldorf Anklage gegen Wolf wegen des Verdachts der Körperverletzung und der Freiheitsberaubung. Man warf ihm nunmehr u. a. vor, an der Verschleppung eines fahnenflüchtigen MfS-Offiziers beteiligt gewesen zu sein. Der zweite Prozess gegen Wolf begann am 7. Januar 1997. Das Oberlandesgericht Düsseldorf verurteilte ihn am 27. Mai 1997 wegen Freiheitsberaubung in vier Fällen zu zwei Jahren Haft, die auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde. Auch in diesem Prozess sah sich Markus Wolf als Opfer eines „politischen Verfahrens“.
Im Juni 1997 kam die deutsche Ausgabe der Memoiren von Wolf unter dem Titel „Spionagechef im geheimen Krieg. Erinnerungen“ auf den Markt. Die Weltrechte an diesem Buch sicherte sich der Neuyorker Verlag "Random House" (Bertelsmann AG). Anlaß zu einer öffentlichen Diskussion boten jene Passagen über den verstorbenen SPD-Politiker Herbert Wehner, die diesen als Einflußagent der DDR enttarnen sollten. Das diente nach Beobachtermeinung zwar der Auflage des Buches, nicht aber der Wahrheitsfindung.[9] Ende 1997 korrigierte er seine Vorwürfe gegen Wehner: Dieser habe "nie und in keiner Weise" im Dienst der DDR gestanden.
Die VSA verweigerten Wolf im Juni 1997 (erneut) die Einreise zur Vorstellung seines Memoirenbandes (VS-Titel "Man without a face"; bearbeitet von Anne McElvoy, stellvertretende Chefredakteurin des „Spectator“) im Rahmen einer VS-Werbetour. Im Januar 1998 wurde er wegen Aussageverweigerung im Spionageprozeß gegen den SPD-Politiker Gerhard Flämig für drei Tage in Beugehaft genommen.
Öffentlichkeit suchte Wolf neben seiner publizistischen Tätigkeit in den 1990er Jahren immer wieder als (gefragter) „Talkshow“-Gast. Er war Mitglied der Linkspartei/PDS sowie Mitbegründer des Ältestenrates. Anlässlich seines 80. Geburtstages 2003 bewertete sein einstiger westdeutscher Gegenspieler, der frühere Verfassungsschutz- und BND-Präsident Heribert Hellenbroich, in der Süddeutschen Zeitung (19. Januar 2003) Person und Wirken Wolfs („Intellektuell und skrupellos“).
Die höchst kontroverse Einschätzung Wolfs spiegelte sich in den Nachrufen nach seinem Tod im November 2006 wider. Lothar Bisky, Vorsitzender der Linkspartei, würdigte Markus Wolf als Mann „voller Widersprüche“, der sich mit seiner „Intelligenz, Offenheit und Unterstützung für die Erneuerung der PDS eingesetzt“ habe; ebenso habe er nach der Wende geholfen, „Geschichte aufzuarbeiten und die Auseinandersetzung in der Entwicklung zu einer demokratischen sozialistischen Partei offen und ausgewogen zu führen“ (Presseerklärung, 9. November 2006). Er sei seinen Idealen treu geblieben und habe gleichzeitig zu seinen Fehlern gestanden. Vertreter der ehemaligen DDR-Bürgerbewegung blieben zurückhaltend. Die WELT (10. November 2006) urteilte dagegen, daß Wolf nach der Wende „zum wohl prominentesten Verteidiger des SED-Unrechtsstaates“ und den „Verbrechen des DDR-Regimes“ geworden sei. Und im SPIEGEL (13. November 2006) hieß es, nichts sei Wolf wichtiger gewesen, als neben seiner Verteidigung „seine schillernde Vergangenheit zu verklären“. Seine Biographie beweise „einerseits das Scheitern des idealistischen Intellektuellen an seinen eigenen Idealen - und zeigt doch auch, wie es kommt, dass einer bis zum Schluss an der Idee des Sozialismus festhalten kann“, hieß es im Stern (16. November 2006).
„Er ist der Typ des im Hintergrund stehenden Funktionärs, der alles, was die anderen Genossen ernst nehmen, wofür sie kämpfen, wovon sie begeistert sind, nur als eine große Schachpartie ansieht.“ So charakterisiert der jüdische Professor Wolfgang Leonhard den ihm noch aus einstigen gemeinsamen SED-Tagen bekannten Markus Wolf.[4]
Familie
Markus Wolf war seit 1977 in dritter Ehe mit Andrea Wolf verheiratet. Aus seinen Ehen hatte er drei Söhne und eine Tochter. Wolf starb am 9. November 2006 – dem 17. Jahrestag des Mauerfalls – im Alter von 83 Jahren in seiner Wohnung in Berlin-Mitte. Er wurde wie sein Vater und sein Bruder auf dem Berliner Zentralfriedhof Friedrichsfelde begraben. (Bekannt ist der Friedhof auch als Begräbnisstätte für zahlreiche sozialdemokratische, sozialistische und kommunistische Politiker und Aktivisten.)
Werke (Auswahl)
- Troika. Geschichte eines nichtgedrehten Films (1989)
- In eigenem Auftrag. Bekenntnisse und Einsichten (1991)
- Geheimnisse der russischen Küche (1995)
- Spionagechef im geheimen Krieg. Erinnerungen (1997)
- Die Kunst der Verstellung. Dokumente, Gespräche, Interviews (1998)
- Freunde sterben nicht. Autobiographische Geschichten (2002)
- Klaus Eichner/Gotthold Schramm (Hrsg.): Kundschafter im Westen. Spitzenquellen der DDR-Aufklärung erinnern sich (2003; mit einem Vorwort von Markus Wolf und Werner Großmann; 1986 Nachfolger Wolfs als HVA-Chef).
Literatur
- Irene Runge/Uwe Stelbrink: Markus Wolf: "Ich bin kein Spion (1990)
- Rita Sélitrenny/Thilo Weichert: Das unheimliche Erbe. Die Spionageabteilung der Stasi (1991)
- Alexander Reichenbach: Chef der Spione. Die Markus-Wolf-Story (1992)
- Rudolf Hirsch: Der Markus-Wolf-Prozess (1994)
Fernsehen
- Der Mann ohne Gesicht (1998)
- Die Wolfs (2000; von Doris Metz)
Auszeichnungen
- Vaterländischer Verdienstorden in Gold (1969)
- Orden des Vaterländischen Krieges (UdSSR)
- Held der Arbeit (1983)
- Karl-Marx-Orden (1986).
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